Flexibles Wohn- und Dienstleistungsangebot im Ortskern
Mit dem nachfolgend beschriebenen genossenschaftlich organisierten und ambulant betriebenen Wohnprojekt hat die SuB Wesselburen eG, gemeinsam mit der Stadt Wesselburen, der NoRa ambulant OHG und engagierten Bürgern die Anforderungen an eine moderne und leistungsfähige Infrastruktur für ältere Menschen beispielhaft und wirtschaftlich nachhaltig umgesetzt.
2016 ist ein sehr flexibles Wohn- und Dienstleistungsangebot im Ortskern von Wesselburen entstanden, welches die vorhandenen offenen, ambulanten und auch vollstationären Angebote wirkungsvoll ergänzt und darüber hinaus auch die Bürger aktiv beteiligt.
Dabei wurden insbesondere drei Ziele verfolgt:
- Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen
- Verbesserung der sozialen und gesundheitlichen Versorgung
- selbstbestimmte Arbeit
Neben diesen sozialen und wirtschaftlichen Aspekten verfolgt die SuB Wesselburen eG auch einen städtebaulichen Anspruch. Denn die seniorengerechte Gestaltung der Ortsmitte mit der Schaffung von barrierefreien Wohnangeboten im unmittelbaren Ortskern, ist insbesondere für die älteren Menschen ein Garant, ihren gewohnten Lebensraum und ihre Nachbarschaften auch bei Pflegebedürftigkeit nicht verlassen zu müssen. Dass dies unter Berücksichtigung der Demografie und der wirtschaftlichen Entwicklung in ländlich geprägten Regionen dringend erforderlich ist, bleibt unumstritten.
Mit dem Senioren- und Bürgerzentrum in Wesselburen wird dieser Entwicklung ein Konzept gegenübergestellt, welches neben einer qualitätsvollen Wohnversorgung am angestammten Ort den Bürgern eine echte Mitwirkung und Mitverantwortung an der Ausgestaltung der sozialen und pflegerischen Infrastruktur ermöglicht.
Ausgangspunkt für das Planungsvorhaben war die Aufnahme der Stadt Wesselburen in das Modell „Land Zukunft“, welches zum Ziel hat, periphere ländliche Regionen dabei zu unterstützen, die regionale Wertschöpfung zu fördern und Arbeitsplätze zu sichern. Vor dem Hintergrund entstand in Wesselburen die Idee, durch eine partnerschaftliche Kooperation von Gewerbe und Kommune, ein für alle Einwohner/innen der Gemeinde attraktives und wirtschaftlich tragfähiges Wohn- und Dienstleistungsangebot zu entwickeln, welches die soziale und auch städtebauliche Infrastruktur für alle Altersgruppen verbessern hilft. Hierbei sollten von Beginn an möglichst alle Bürger aktiv beteiligt werden.
In direkter Blicknähe der Kirche, unmittelbar am Marktplatz mit Einzelhandel, Apotheke und Cafés gelegen, wurden die Grundstücke der ehemaligen Drogerie Fussel, des Textilhauses Gießener und des ehemaligen Fischgeschäfts Stuehrk in der Österstraße für das Wohn- und Bürgerzentrum genutzt. Die im hinteren Teil der Grundstücke gelegenen Grünflächen, u.a. auch ein Teil des Pfarrgartens, werden als „grüner“ Rückzugsraum von den Mietern und Besuchern des Zentrums genutzt. Durch den kompletten Neubau sind an diesem Standort
- ein Bürgerbüro mit Nachbarschaftscafé
- ein ambulanter Pflegedienst,
- eine Tagespflege mit 14 Plätzen,
- 14 barrierefreie Servicewohnungen
- und eine ambulant betreute Wohngemeinschaft für 12 pflegebedürftige Mieter geschaffen worden.
Vielfältige Nutzung der Räumlichkeiten
Die Räume im Erdgeschoss werden als Bürgerbüro mit kleinem Nachbarschaftstreff und für ein Büro des ambulanten Pflegedienstes der NoRa ambulant oHG mit Beratungsstelle „Pflege“ genutzt. Das Bürgerbüro kann bei Bedarf zum Tagesraum der Tagespflege geöffnet und somit außerhalb der Öffnungszeiten der Tagespflege (Abendstunden, Wochenenden) für Veranstaltungen, Schulungen und örtliche Vereine, genutzt werden. Hier werden auch vom ambulanten Pflegedienst sogenannte niedrigschwellige Leistungen für Pflegebedürftige angeboten, die noch allein zu Hause oder bei ihren Angehörigen leben.
Im Erdgeschoss des Gebäudes an der Österstraße ist eine Tagespflege für 14 Besucher/innen geschaffen worden. Der Haupteingang der Tagespflege liegt am Marktplatz und hat einen eigenständigen, behindertengerechten Zugang für die Besucher. Das Raumangebot entspricht den einschlägigen Empfehlungen. Ein besonderes Highlight ist die Ausrichtung des Tagesraumes zum Marktplatz. Dies sichert den Tagesgästen einen Blick auf die Kirche und gibt Anregungen durch die Besucher der dort angesiedelten Geschäfte.
Die Tagespflege, als teilstationäre Leistung der Pflegeversicherung, ist eine zunehmend an Bedeutung gewinnende Ergänzung der pflegerischen Infrastruktur in Wesselburen. Die Besucher der Tagespflege können durch die Kombination mit ambulanten Pflegedienstleistungen und hauswirtschaftlichen Hilfen häufig einen vorzeitigen Umzug in ein Pflegeheim vermeiden bzw. hinauszögern. Sie ist insbesondere für Menschen mit beeinträchtigter Alltagskompetenz und deren Angehörige eine wertvolle Ergänzung und Entlastung.
Zusätzlich zum Haupteingang ist die Tagespflege innerhalb des Gebäudes räumlich an das Nachbarschaftscafé/Bürgerbüro und auch an die Servicewohnungen angebunden. So können auch die Mieter der Wohnanlage im Bedarfsfall die Tagespflege besuchen, ohne das Haus verlassen zu müssen. Sie können so von diesen Angeboten unmittelbar und unkompliziert Gebrauch machen.
Im Erdgeschoss des Neubaus, Zugang über die Österstraße, besteht eine ambulant betreute Wohngemeinschaft für Pflegebedürftige. Wie die vollstationäre Einrichtung des Betreibers wird die Wohngruppe konzeptionell und pflegefachlich als familiäre Hausgemeinschaft organisiert. Sie unterscheidet sich allerdings dadurch, dass deren Bewohner, im Gegensatz zu einem Heim, Mieter des SuB Senioren- und Bürgerzentrum Wesselburen eG sind, deren pflegerische und soziale Betreuung ambulant erfolgt. Hiermit wird dem Wunsch der älteren Menschen und auch der Politik Rechnung getragen, die ambulant organisierten Wohnformen in besonderer Weise fördern zu wollen.
Ziele in besonders innovativer Weise umgesetzt
Im Rahmen einer städtebaulich abgestimmten Maßnahme ist ein Wohn- und Dienstleistungszentrum in der Ortsmitte von Wesselburen geschaffen worden, welches nicht nur für Schleswig-Holstein richtungsweisenden Charakter hat, da es die soziale und pflegerische Infrastruktur mit wertvollen und nachhaltigen Leistungsangeboten ergänzt und vervollständigt.
Bei der Gestaltung der Wohnangebote wurden die Ziele der Landesregierung Schleswig-Holstein in besonders innovativer Weise umgesetzt. So werden die Pflegeangebote ambulant und mit intensiverer Einbeziehung der Bewohner und deren Angehörigen realisiert. Nach § 2 Absatz (4) Selbstbestimmungsstärkungsgesetz (SbStG) unterstützt das Land bürgerschaftliches Engagement durch Information, Beratung und Förderung geeigneter Maßnahmen. Dieses Projekt erfüllt in mehrfacher Hinsicht diese Anforderungen, denn der im vorgenannten Gesetz formulierte Anspruch auf Selbstbestimmung und Schutz von Menschen mit Pflegebedarf wird nicht nur aufgegriffen, sondern durch die Bildung einer „Sozialgenossenschaft“ in eine moderne, zukunftsweisende Rechtsform überführt.
Bürgerbeteiligung an der Sozialgenossenschaft
Nicht nur bei der Konzeption, sondern auch bei der Finanzierung und dem Betrieb des Wohn- und Dienstleistungszentrums wurden von der Stadt Wesselburen und ihren Partnern neue Wege bestritten. Entsprechend der Zielsetzungen des Programms „Land-Zukunft“ können sich an diesem Modellvorhaben sowohl die Kommune, private Kapitalgeber und Gewerbetreibende der Gemeinde beteiligen.
Über die Sozialgenossenschaft haben die Bürger in Wesselburen die Möglichkeit, sich an dem Projekt auch wirtschaftlich zu beteiligen und ein aktives Mitgestaltung- und Mitbestimmungsrecht für „ihr“ Senioren- und Bürgerzentrum zu erhalten. So wurde, neben der Schaffung sicherer Arbeitsplätze und eines zukunftsorientierten Wohn- und Dienstleistungsangebots vor Ort, auch eine wirtschaftlich attraktive Anlagemöglichkeit über festverzinsliche Genossenschaftsanteile für die Einwohner der Kommune geschaffen. Die Flächen für den ambulanten Dienst und die Tagespflege sind langfristig von der NoRa ambulant oHG angemietet. Sie tritt als Mieter und Anbieter der beschriebenen Dienstleistungen des Wohn- und Bürgerzentrums auf und organisiert die dort abrufbaren Angebote. Die Vorteile liegen auf der Hand: Für sämtliche Leistungen können getrennte Verträge abgeschlossen werden.
Beitritt zur SuB eG
Natürliche oder juristische Personen sowie Personengesellschaften und Körperschaften des öffentlichen Rechts können Mitglied in der Sozialgenossenschaft des Senioren- und Bürgerzentrums werden. Mieter und Nutzer der von der Genossenschaft verwalteten und vermieteten Räumlichkeiten sollen Mitglieder sein oder werden.